... so lautet vermutlich eines der bekanntesten geflügelten Worte
überhaupt. Jeder kennt diesen Satz, doch was bedeutet er? Ist er
Ausdruck eines radikalen Skeptizismus?
Nein - genau das Gegenteil
ist der Fall. Was dieser Satz zum Ausdruck bringt, damit will ich mich
in den folgenden zwei oder drei Beiträgen befassen.
Zunächst
können wir festhalten: Dieser Satz stammt von Sokrates (469-399 v.Chr.),
dem bekanntesten Philosophen der griechischen Antike. Er war Lehrer des
Platon (427-347 v.Chr.). Platon wiederum war Lehrer des Aristoteles
(384-322 v.Chr.). Somit hätten wir die "großen drei" der griechischen
Philosophie in einen Zusammenhang gebracht.
Sich mit einzelnen
gedanklichen Systemen auseinanderzusetzen, ist in aller Regel nicht
zielführend. Man muss wissen, was vorher war - Neuerungen im Denken sind
Reaktionen, keine plötzlichen Geistesblitze von Genies.
Daher müssen
wir uns, bevor wir uns mit Sokrates befassen, mit der philosophischen
Strömung befassen, die vor ihm war: der Sophistik.
Die Sophistik
Athen
im 6.Jhdt. v. Chr. muss in einer sehr turbulenten Verfassung gewesen
sein: Die Perserbedrohung war immanent. Die Aristokratie, die bisher ein
Monopol auf die politische Macht hatte, verlor an Bedeutung. Warum?
Bisher war das Kriegführen Sache der Aristokratie. Nur sie konnte sich
Waffen leisten, und wusste mit diesen umzugehen. Daher waren es auch die
Aristokraten, die für politische Entscheidungen zuständig waren. Doch
angesichts der Perserbedrohung mussten die Griechen ihre Flotte
aufrüsten. Sie bauten Trieremen. Diese wurden mittels Ruderern bewegt.
Also mussten nun auch die normalen Bürger zum "Wehrdienst" herangezogen
werden. Die Aristokraten waren nicht mehr die einzigen, die an
kriegerischen Handlungen beteiligt waren. Infolge dessen forderten auch
die einfachen Bürger politische Mitbestimmung. Das ist logisch:
Wer am
Krieg teilnimmt, war zu dieser Zeit auch für die Politik zuständig.
Die griechische Demokratie war geboren.
Eine neue Art von Politik
Die
Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen führte aber zu
einer Herausforderung: Bisher überzeugte eine politische Entscheidung,
weil sie von einem Aristokraten kam. Doch nun war das nicht mehr
maßgeblich. Jetzt stand man vor der Schwierigkeit, dass man die anderen
nicht mehr allein durch kriegerische Erfolge von der Richtigkeit einer
politischen Ansicht überzeugen konnte. Politische Ansichten mussten
vernünftig begründet werden, sie mussten transparent werden. Andere
mussten sie argumentativ nachvollziehen können, wenn man ihre Stimme
gewinnen wollte.
Wie erreicht man das? Mittels Rhetorik und politischer Bildung.
Der Aufstieg der Sophisten
Hier
kommen die Sophisten ins Spiel. Es handelt sich hierbei nicht um eine
einheitliche philosophische Strömung (die Ansichten der Sophisten
unterscheiden sich teils enorm voneinander).
Die Sophisten waren
Privatgelehrte, die (gegen Geld) Unterricht in politischer Bildung und
Rhetorik vermittelten. Auch hoben sie die Philosophie auf eine neue
Ebene. Die bisherige Naturphilosophie sah den Menschen als Bestandteil
einer großen kosmischen Ordnung, in welche er sich einfügt. Die Sophisten
nehmen nun den Menschen aus dieser großen kosmischen Ordnung heraus,
und fragen sich: Was ist der Mensch? Was ist sein Wesen? Was ergibt sich
daraus für die politische Ordnung? Welche politische Ordnung entspricht
seiner Natur? Welche ist daher die beste?
Nicht ohne Grund wird die Sophistik gelegentlich als "griechische Aufklärung" bezeichnet.
Der Mensch als Maß aller Dinge
Doch
die Sophisten glitten in den Subjektivismus und in den Relativismus ab.
Wahrheit erscheint jedem Menschen verschieden. Wahrheit ist eine
subjektive Angelegenheit. Vielleicht gibt es eine objektive Wahrheit,
aber die ist uns Menschen unmöglich zugänglich.
Der Sophist Protagoras bringt es folgendermaßen auf den Punkt:
"Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der Seienden, wie sie sind, der Nicht-Seienden, wie sie nicht sind."
Protagoras
leugnet garnicht das Bestehen einer objektiven Wahrheit, nur sie ist
für uns Menschen nicht von großer Bedeutung, da wir sie sowieso nicht
erfassen können. Aber das heißt nicht, dass jeder irgendwie Recht hat.
Es ist zumindest möglich, eine gute Meinung von einer schlechten Meinung
zu unterscheiden - mithilfe der Rhetorik. (?)
Wie erwähnt, sind
die Sophisten keine einheitliche Strömung. Protagoras ist vielleicht so
etwas wie ein gemäßigter Skeptizist. Andere Sophisten, vertreten einen
radikalen Skeptizismus, und interessieren sich überhaupt nicht für die
Wahrheit. Sie interessiert nur, wie man eine Meinung möglichst
rhetorisch geschickt verpacken kann, um damit andere zu überzeugen.
Ethische Bedenken kennen sie nicht.
Diesen Entartungen von Politik und Philosophie sollte Sokrates entgegentreten.