Mittwoch, 11. September 2013

Ich denke, also bin ich - Teil 3: Ein philosophischer Einwand

Ein etwas komplizierterer, aber äußerst interessanter Einwand, ist folgender:

"René Descartes interpretiert das Leibnizsche Identitätsprinzip falsch."

Rufen wir uns dieses nocheinmal in Erinnerung:

"Zwei Dinge sind dann miteinander identisch, wenn sie über dieselben Eigenschaften verfügen."

Eine descartsche Schlussfolgerung, nennen wir sie [A], war:

[A] "Der Körper hat die Eigenschaft, von mir angezweifelt werden zu können. Der Geist hat diese Eigenschaft nicht."

Doch ist diese Schlussfolgerung wirklich richtig?
Erinnern wir uns zunächst an einige andere Schlussfolgerungen:

[B] "Der Körper kann nur als etwas räumliches begriffen werden. Der Geist auch als etwas nichträumliches."
[C] "Den Körper kann man sich in Teilen vorstellen. Den Geist nicht."

[B] und [C] sollen für unsere Zwecke als unproblematisch gelten. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen diesen beiden und [A].


Objektive und subjektive Eigenschaften

Wenn man [B] sagt, dann trifft man eine Aussage über eine objektive Eigenschaft des Körpers. Die Eigenschaft ist quasi am Körper selbst ersichtlich. Jeder kann den Körper untersuchen und zu der Schlussfolgerung kommen, dass der Körper etwas räumliches ist. Niemand kann zu der Schlussfolgerung kommen, dass der Körper etwas nichträumliches sei.

Dasselbe gilt für [C]. Die in [C] angesprochenen Eigenschaften sind objektiv - sie ergeben sich aus der Beschaffenheit des Körpers. Jeder kann die Beschaffenheit des Körpers erfassen, und bestätigen, dass man ihn sich auch bloß in Teilen vorstellen kann. Hier soll es genügen, dass auch die Schlussfolgerung, dass man sich den Geist nicht in Teilen vorstellen kann, ebenfalls unproblematisch ist. (In Wahrheit ist sie das nicht, aber darum soll es hier nicht gehen.)

-> Descartes Schlussfolgerungen [B] und [C] sind gültig. Sie betreffen objektive Eigenschaften - Eigenschaften, die sich aus der Beschaffenheit des Körpers ergeben und für jeden überprüfbar sind.





Doch ist [A] auch eine objektive Eigenschaft des Körpers?
Ist es eine objetktive Eigenschaft des Körpers, dass er von X angezweifelt werden kann? Jeder kann den Körper untersuchen, alles über ihn in Erfahrung bringen. Doch niemand kann, auch wenn er alles über den Körper weiß, sagen: "Eine Eigenschaft des Körpers ist, dass X ihn anzweifelt".

Die Eigenschaft "anzweifelbar" ist anscheinend keine objektive Eigenschaft des Körpers. Es ist eine Eigenschaft, die ein konkretes Subjekt hat (oder nicht). Genauso, wie es eine Eigenschaft des konkreten Subjektes ist, ob es weiß, dass mein Auto grün ist. Man kann alle Eigenschaften meines Autos kennen, aber dennoch wird man nicht wissen, ob X weiß, dass es grün ist.

Die Eigenschaft "der Körper kann angezweifelt werden" ist anscheinend eher eine Eigenschaft dessen, der ihn anzweifelt.




-> [A] betrifft eine subjektive Eigenschaft eines Subjektes, aber keine objektive Eigenschaft des Körpers.

-> Das Leibnizsche Identitätsprinzip ist nur auf objektive Eigenschaften sinnvoll anwendbar. Nicht aber auf subjektive.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen