Sonntag, 8. September 2013

Ich denke, also bin ich



René Descartes sitzt in einem Cafehaus. Die Kellnerin fragt ihn: "Möchten sie noch etwas?"
René Descartes antwortet: "Ich denke nicht." - und löst sich in Luft auf.

  
"Ich denke, also bin ich."
So lautet wahrscheinlich der bekannteste Satz der Philosophiegeschichte. Jeder kennt ihn und jeder weiß, dass er von René Descartes stammt.
Doch was bedeutet dieser Satz eigentlich? Etwa das, was die Pointe obigen Witzes ausmacht? Wohl kaum, denn sonst wäre die Pointe keine Pointe.

Der Satz mutet deswegen so geheimnisvoll an, weil er lediglich die Konklusion einer langen Ausführung ist. "Ich denke, also bin ich" allein, ist etwa so aussagekräftig wie die Zahl 7. Mit 7 fängt man auch nichts an, wenn man nicht weiß, wie die 7 zustande gekommen ist.

Schauen wir uns also an, wie die Schlussfolgerung "Ich denke, also bin ich" zustandekommt:

Das Leib-Seele Problem

Zunächst muss man sich die Grundfrage des Leib-Seele Problems bewusst machen: Sind Körper und Geist zwei voneinander verschiedene Substanzen (Dualismus), oder handelt es sich um eine Substanz (Monismus)?
Wir leben heute in einer sehr szientistisch geprägten Zeit. Biologie und Physik gelten als Leitwissenschaften. Intuitiv würden die meisten sich zum Monismus bekennen. Für eine "Seele" oder einen "Geist" ist in unserer vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft kein Platz. Scheinbar kann man alles auf Gehirnprozesse reduzieren. Gefühle, Bewusstsein, etc. sind nur das Ergebnis von Hormonen, Botenstoffen und der gleichen. Nun, ich würde zustimmen, dass das Konzept "Seele" überholt ist, doch die Reduktion des subjektiven Erlebens auf Hormone, Botenstoffe, etc. ist höchst problematisch, und das ist übrigens auch den meisten Gehirnforschern klar.

René Descartes versucht in der "6.Meditation" eben jenes Problem (Geist und Körper, oder nur Körper?) philosophisch zu untersuchen.

Ein Gedankenexperiment

Man stelle sich vor, die Welt würde von einem bösen Dämon regiert. Dieser ist in der Lage Täuschungen zu erzeugen. In so einer Welt könnte man sich nicht sicher sein, ob vor einem tatsächlich ein Glas steht, oder ob das nicht nur eine Täuschung ist. Alles könnte eine Täuschung sein - sogar der eigene Körper! René Descartes geht es nicht darum, radikalen Skeptizismus zu propagieren. Er fragt sich, worüber könnten sich die Menschen in dieser vom Dämon regierten Welt gewiss sein, wo doch alles eine Illusion sein könnte.
Die logische Schlussfolgerung: Darüber, dass sie existieren, und zwar als "denkendes Ding". Denn jede Täuschung bedarf eines Trägers. Der Dämon kann alles herbeitäuschen, aber unmöglich könnte er den Menschen darüber täuschen, dass dieser als Geist existiert. Ohne Träger keine Täuschung. Der Körper kann eine Illusion sein, der Geist nicht.

Das Leibnizsche Identitätsprinzip

In Voraussicht auf Teil 2, wo wir uns mit Einwänden gegen diese Schlussfolgerung beschäftigen werden, lohnt es sich, die Grundlage dieser Argumentation genauer anzuschauen - das Leibnizsche Identitätsprinzip:

"Zwei Dinge A und B sind dann miteinander identisch, wenn sie über dieselben Eigenschaften verfügen."

René Descartes wendet dieses Prinzip an, und zieht daraus einige Schlussfolgerungen. Schauen wir uns einige davon an:

- Den Körper kann man sich nur "als etwas ausgedehntes" vorstellen. 
Sprich: Der Körper benötigt Raum. Den Geist kann man sich auch als etwas vorstellen, das keinen Raum benötigt. -> Körper und Geist haben verschiedene Eigenschaften (räumlich-nichträumlich) und sind daher nicht identisch, sind daher verschiedene Substanzen.

- Den Körper kann man sich "in Teilen" vorstellen, den Geist nicht. 
Man kann zB nur an seine linke Hand denken. Den Geist kann man sich nicht in Teilen vorstellen. -> verschiedene Eigenschaften -> nicht identisch -> verschiedene Substanzen.

- Die Existenz des eigenen Körpers kann man anzweifeln. Die Existenz des eigenen Geistes nicht.
Letzteres ist unvorstellbar. In dem Moment, wo ich meinen Geist anzweifle, bewahrheitet sich dessen Existenz. (Siehe Gedankenexperiment. René Descartes sagt also auch: "Ich zweifle, also bin ich" (wenigstens als denkendes Ding)). Der Körper hat also die Eigenschaft von seinem Eigentümer angezweifelt werden zu können. Der Geist hat diese Eigenschaft nicht. -> verschiedene Eigenschaften -> nicht identisch ->verschiedene Substanzen.

René Descartes ist also ein Dualist. Durch Anwendung der Vernunft (die Empirie kann uns keine Gewissheit liefern) kommen wir zu dem Ergebnis, dass Körper und Geist zwei voneinander verschiedene Substanzen sein müssen.

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